Hangbahntraining mit deinem Pferd – Interview mit Nathalie Breuer

Bereits vor ein paar Jahren lernte ich durch meine liebe Kollegin Nathalie Breuer das Hangbahntraining kennen. Jetzt habe ich endlich die Gelegenheit, das Training an der Hangbahn live auszuprobieren und fahre seit einigen Wochen mit Felina regelmäßig auf die Reitanlage des Vereins Vögelsen-Mechtersen eV. Ich freue mich, dass Nathalie sich bereit erklärt hat, mir ein Interview zu geben, um euch das Hangbahntraining ebenfalls näher zu bringen.

Liebe Nathalie, magst du dich zunächst einmal vorstellen?

Mein beruflicher Weg mit Pferden ist eher ein indirekter: Mit 6 Jahren begann ich zu reiten. Ich hatte das unfassbare Glück, dass ich 2 großartige Ausbilder hatte, die mir vor aller Reitlehre, die sie in ihrem Blut führten, das Wesen Pferd voller Demut nahe brachten. Beide hatten den Krieg zu Pferde kennengelernt. Und sobald sie ihre Stimme zum Thema Pferd erhoben, wusste man: Sie verdanken den Pferden ihr Leben. Das hat etwas mit mir gemacht. Ich wollte weder eine klassische Bereiterlehre machen, noch war mein Ziel, in den Turniersport zu streben. Mich hat von jeher interessiert, mich hineinzufühlen, wie die dressurmäßige Ausbildung einem jeden Pferd dienen kann, ihm zu seinen Möglichkeiten zu verhelfen. 

Wie bist du zum Hangbahntraining gekommen?

Mein Umzug in die Lüneburger Heide bescherte mir die Möglichkeit beim Oberst von Ziegner Unterricht zu nehmen. Er lehrte mich daraufhin, etliche Pferde, die ihm zur Ausbildung anvertraut waren, an der Hangbahn aus-, weiter- oder gar umzubilden. 

Hangbahntraining – was ist das?

Um den Sinn der Hangbahn zu erläutern, muss man sich die Anatomie des Pferdes vor das innere Auge führen. Das Pferd ist kein Lastenträger, daher gilt es, das Pferd tragfähig zu machen. Dies gelingt jedoch nur, wenn die Hinterhand aktiv in Schub und Tragkraft gefördert wird und das Pferd den Hals dehnt. Und eben genau dies lässt sich an der Hangbahn ideal erarbeiten.

Die Hangbahn ist eine bearbeitete Fläche in einer Hanglage im Wald mit einer idealen Steigung von durchschnittlich 14%. Da es sich quasi um Reitbahngröße handelt und die Wege zwischen den Bäumen alle Hufschlagfiguren zulassen, ist ein systematisches Training von Remonteniveau bis Grand Prix möglich.

So wie ein Mensch lernen muss, dass er Gewichte rückenschonend hebt, indem er in die Knie geht, so lernt das Pferd an der Hangbahn seinen ganzen Körper zu benutzen, um das Reitergewicht in Balance zu tragen

Wie sieht jetzt konkret so eine Einheit an der Hangbahn aus?

Eine Einheit an der Hangbahn ist muskulär und konditionell eine völlig andere Herausforderung als in der planen Reitbahn. Daher gilt es mit jeder Einheit, als auch mit Pausen, einen Trainingsplan auszuarbeiten, um keine Überforderung zu riskieren, aber einen gewünschten Erfolg anzustreben.

Ich mache mir immer ein Bild von Anatomie, Muskulatur und Tonus des Pferdes, um das Ziel zu bestimmen und die jeweiligen Einheiten im Aufbau zu planen. Konkretes Beispiel: Ein Pferd mit Anlehnungsproblematik im Extremfall: Wenig Rückenmuskulatur – viel Unterhals. Dann ist natürlich das Ziel, fehlerhafte Muskulatur durch gute zu ersetzen Der erste Schritt dahin ist, sich auf die korrekte Dehnung im Bergauf zu konzentrieren. Und das zunächst nur im Schritt. Es ist wichtig, dass man nicht ungeduldig alles probieren möchte. Je nachdem, wie schwer sich das Pferd tut, diesen Weg zu finden, kann es sein, dass die erste Einheit schon damit endet, dass das Pferd in Dehnungshaltung bergauf antrabt. Spannend ist dann die zweite Einheit um zu sehen, was das Pferd von der letzten Einheit mitgenommen hat. Wenn der Abstand zwischen den Einheiten richtig gewählt ist, wird man nicht selten erleben, dass das Pferd „über Nacht“ weiter gelernt hat.

Anlehnungsprobleme (Aufgerollt, gegen den Zügel , falscher Knick), Taktfehler und Beckenschiefstände, die natürlich in Behandlung sind, können auf der Hangbahn positiv verändert werden. Die Bandbreite der Themen und Probleme bei Pferden (und auch Reitern), für die ein Hangbahntrainingsplan hilfreich wäre, würde hier den Rahmen deutlich sprengen.

Benötige ich eine bestimmte Ausrüstung?

Ganz klar: Nein. Ich kann je nach Zielsetzung sowohl im Springsattel als auch im Dressursattel arbeiten. Es ist eigentlich sinnfällig aber natürlich sind keine Hilfszügel zu benutzen.

Wodurch unterscheidet sich Hangbahntraining vom Klettern im Gelände?

Ich bin dankbar über diese Frage, weil ich natürlich häufig zu hören bekomme: „Ja, wir reiten auch ganz viel bergauf und bergab.“ Das ist auch großartig, aber vorrangig doch konditioneller Natur. Natürlich müssen auch diese Pferde ihren Schwerpunkt dem Gelände anpassen. Das Hangbahntraining übertrifft diese Möglichkeit bei Weitem durch Systematik und Differenziertheit. Es ist die gesamte Bandbreite der Skala der Ausbildung für Pferd und Reiter in einem pädagogischen Lehrraum. Schub- und Tragkraft werden durch die Arbeit am Hang für Reiter und Pferd ganz anders erlebbar. Das Pferd lernt, dass es sich beim bergab in den 3 Grundgelenken des Hinterbeines setzen muss, um bestmöglich den Hang hinunter zu kommen. Am Hang piaffiert kein Pferd mit hoher Kruppe.

Der Reiter lernt beispielsweise, dass er das Pferd bestmöglich unterstützt wenn er nicht im Schiebesitz agiert. Darüber könnte ich noch so viel sagen, weil mich die Möglichkeiten, die sich an der Hangbahn eröffnen, so begeistern.

Welche reiterlichen Voraussetzungen sollte es geben? Welche Voraussetzung braucht dein Pferd? Gibt es Situationen, in denen Hangbahntraining nicht empfehlenswert ist? 

Diese Fragen würde ich gern zusammen beantworten: Die Hauptvoraussetzung ist , dass das Pferd gesund oder rekonvaleszent d.h zum Training freigegeben ist. Ansonsten gibt es kein Niveau, das erreicht sein müsste – weder reiterlich noch ausbildungsmäßig auf Seiten des Pferdes. Es gibt für einen lernenden Reitschüler nichts lehrhafteres als seinen Sitz am Hang zu schulen – selbst wenn er eben noch geführt werden muss. Ebensolches gilt für eine Remonte: Natürlich benötigt man ein sicheres Begleitpferd zur Sicherheit, aber die Schulung und Motivation für das junge Pferd ist unübertrefflich. Generell gilt: Ausbilder oder Bereiter müssen in der Biomechanik und in der Zielsetzung und damit mit dem jeweiligen Trainingspensum höchst verantwortungsvoll umgehen! Sonst kann es schnell auch schadhaft werden. Es werden ja völlig neue Muskeln beansprucht und alles, was überansprucht wird geht in die Kompensation und kann dadurch Schaden nehmen.

Eins deiner schönsten Erlebnisse mit dem Hangbahntraining?

Ehrlich gesagt ist es jeder Moment, wenn man erleben darf, dass ein Pferd etwas von selbst verstanden hat, wie es optimal  seinen Körper benutzen kann… Wenn es beim Bergab plötzlich zurückkommt, beim Halten sein Hinterbein von selbst unter den Schwerpunkt zieht … wenn es seine Tritte bergauf verlängert, weil es durch den gedehnten Hals bei tiefem Genick den Kopf- Arm-Muskel zum längeren Vorziehen des Vorderbeines „frei“ hat. Das alles sind Glücksmomente. Wenn ich allerdings vom erfolgreichsten Ergebnis des Hangbahntrainigs berichten darf: So ist es sicher die Teilhabe an dem Aufbau eines ehemaligen Rennpferdes zum Sieger einer damals  noch 4 Sterne Vielseitigkeitsprüfung in Luhmühlen.

Liebe Nathalie, vielen Dank für das Gespräch! Und natürlich auch dem Reit- und Fahrverein Vögelsen Mechtersen e.V., das auf seinem Gelände die Hangbahn bereitstellt.

Wenn ihr mit Nathalie Kontakt aufnehmen wollt, erreicht ihr sie über nathalie_breuer@msn.com.

Danke an Marie von Herzenshundfotografie für die schönen Bilder!

Wenn ihr mehr über das Hangbahntraing erfahren wollt, empfehle ich euch den wehorse Kurs „Hangbahntraining für Balance & Kräftigung“ mit Oberst Kurd Albrecht von Ziegner. Um den gesamten Kurs anschauen zu können, müsst ihr eine wehorse Mitgliedschaft haben. Mit dem Rabattcode HORSEMINDSET2020 bekommt ihr die Jahresmitgliedschaft allerdings für nur 9,90€ im Monat (anstelle der regulären 14,90€). Dafür wählt einfach den Jahreszugang unter https://www.wehorse.com/de/preise/ aus und gebt im Bezahlvorgang den Code ein.



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