Was ich von Frédéric Pignon lernen durfte

Ich hatte vor einigen Wochen das Glück, einen Kurs bei Frédéric Pignon besuchen zu dürfen. Felina und ich waren also ein Wochenende unterwegs und hatten zwei praktische Einheiten in Bodenarbeit und Freiheitsdressur. Er hat die Fähigkeit, hinter Lektionen und Übungsabläufen tief in die Beziehung zwischen Pferd und Mensch zu blicken. Für ihn geht es nicht in erster Linie um das Erreichen bestimmter Lektionen. Vielmehr sieht er es so, dass wir durch Lektionen und Übungsabläufe unsere Beziehung zum Pferd ausdrücken – ein Ansatz, den ich sehr inspirierend finde. Insbesondere in den letzten Jahren ist ja leider auch einiges an Freiarbeit zu beobachten, bei dem die Pferde alles andere als frei wirken. Solche Vorführungen berühren mich nicht, auch wenn die Pferde zum Teil beeindruckende Lektionen ausführen. Bei Frédéric Pignon ist das anders: Die Pferde strahlen wirklich vor Freude und Stolz bei seinen Vorführungen.

In diesem Beitrag möchte ich meine 2 wichtigsten Erkenntnisse mit dir teilen, die für mich besonders wichtig und berührend sind. Da Frédéric auf englisch unterrichtet, nutze ich hier manchmal die englischen Worte.

1. In Liebe Grenzen setzen

Auch wenn Frédéric vielen vor allem durch seine Vorführungen und Veranstaltungen bekannt ist, ist er auch ein wirklich großartiger Ausbilder für Mensch und Pferd. Er hat die ganz besondere Gabe, nicht nur die Pferde, sondern auch die Menschen, die mit ihnen arbeiten zu durchblicken. So gelingt es ihm, direkt den Kern des Problems zu erfassen. Wie hilfreich das ist, durfte ich mit Felina beim Thema “Grenzen setzen” erleben.

Hierbei ging es darum, mit welcher inneren Haltung ich Felina klar mache, dass ich etwas nicht möchte. Fréderic Pignon fiel auf, dass ich “äußerlich” angemessen reagierte, also nicht über- oder unterreagierte, aber innerlich dabei Stress hatte und mich ärgerlich fühlte.

Seine Beobachtung zu meinem innerlichen Stress traf es auf den Punkt: Immer wenn ich Felina klar gemacht habe, dass sie mich nicht über den Haufen rennen soll, fühlte ich mich eigentlich schlecht, weil ich sie ja “korrigierte”. Die Notwendigkeit der Korrektur ärgerte mich schon. Mein Ausbildergehirn wusste zwar, dass es richtig und wichtig ist, auf meinen Raum zu achten, doch hat es sich emotional falsch angefühlt, Felina diese Grenzen zu setzen. Das Pferdemädchen in mir möchte am liebsten nur ein harmonisches Beisammensein. Wenn ich ein Verhalten korrigiert habe, hat sich das immer angefühlt, als wäre unsere Beziehung nicht in Ordnung bzw. ich würde unsere Beziehung stören (auch wenn mir rational klar war, dass Grenzen setzen dazu gehört und wichtig ist.)  

Mein unterschwelliger Ärger, dass es überhaupt nötig ist, Felinas Verhalten zu korrigieren schwang immer mit, auch wenn ich ihn nicht gezeigt habe. Auch wenn meine Reaktion in Dosierung und Ausführung angemessen war, hatte sie gewissermaßen die falsche Ladung und war wie ein Störsender in der Situation und unserer Beziehung. 

Frédéric hörte sich meine Ausführungen zu meinem inneren Ärger beim Grenzen setzen an und gab mir eine Antwort, die mich sehr berührt hat. Er sagte, dass Grenzen ein wichtiger Teil einer liebevollen Beziehung sind und das Liebe nur da sein kann, wo auch Respekt ist und dafür braucht es Grenzen. So gesehen ist es eine Facette der Liebe zum Pferd darauf zu achten, dass es sich respektvoll verhält (das gilt natürlich umgekehrt für uns mindestens genauso.) Durch seine Worte wurde mir richtig klar, dass das Setzen von Grenzen nichts ist, was eine liebevolle Beziehung stört, sondern sie stärkt.

Interessant war auch, wie sich das in meiner Sprache geäußert hat. Felina ist eine ziemlich große und entsprechend starke Friesenstute. Für mich waren einige meiner Korrekturen (z.B. wenn sie mich wegzieht) immer “strong”, also stark. Frédéric entgegnete, dass man auch firm also standhaft/fest und clear also klar Grenzen setzen kann. Für mich macht es einen großen Unterschied, ob ich jetzt firm & clear erwarte, dass Felina z.B. beim Schließen des Weidetores auf mich achtet oder ob ich mich bereitmache, gleich “strong” sein zu müssen – was ich im Umgang mit ihr ja garnicht sein möchte. Im ersten Fall bin ich direkt souveräner und allein dadurch achtet Felina mehr auf mich. Im zweiten Fall gelange ich innerlich unter Stress und Felina dann ebenso.

Zu akzeptieren, dass Grenzen setzen innerhalb der Beziehung stattfindet und sie stärkt, statt es wie vorher als ein Störereignis außerhalb der Beziehung wahrzunehmen und die Änderung meiner innerer Haltung dabei von strong zu clear und firm hat bei Felina und mir viel verändert. Der Störsender bzw. die Inkongruenz ist raus. Felina ist viel achtsamer mit mir und wenn ich eine Grenze setze, akzeptiert sie diese viel williger. Das ist ein großer Unterschied zu früher, als sie sich – Überraschung – immer ärgerlich gezeigt hat, wenn ich eine Situation geklärt habe. Mir bereitet es auch keine negativen Gefühle mehr, wenn ich zum Beispiel dafür sorge, dass sie mich nicht anrempelt. 

2. Präsent bleiben – auch in den Pausen

Diejenigen, die meine Arbeit kennen, wissen, dass mir Pausen sehr wichtig sind und sie immer Teil meiner Unterrichtseinheiten sind. (Wenn du mehr dazu erfahren möchtest, lies hier meinen Beitrag). Zu Frédéric Pignon Arbeitsweise gehören ebenfalls viele kleine Pausen als Belohnung und Bestätigung.

Allerdings durfte ich durch F.P. lernen, dass Pause machen nicht gleich Pause machen ist. Der Art und Weise des Pause Machens ist entscheidend für das Zusammensein bzw. die Kommunikation zwischen dir und deinem Pferd. Wenn ich Felina zum Halten für die Pause durchpariert habe, habe ich mich mental oftmals “ausgeklinkt”. Ich habe über das nachgedacht, was wir gerade gemacht haben, was ich noch vor habe, aber in dem gegenwärtigen Moment mit ihr war ich dann nicht mehr. Wenn ich dann zu Felina gegangen bin, um sie zu loben, war das wie eine neue Kontaktaufnahme. 

Für uns ist es ein großer Unterschied, wenn ich beim Übergang zum Halten und beim anschließenden Loben wirklich präsent bleibe. Das Gefühl der Verbundenheit zwischen uns ist viel größer und ich kann ihre Leistung viel besser wertschätzen. 

Ein geeigneter Vergleich ist vielleicht ein Gespräch mit deinem Partner am Telefon. Er will dir etwas Liebes sagen, als plötzlich der Empfang wegbricht und das Telefonat unterbrochen wird. Obwohl du ihn sofort wieder anrufst, kommt nicht mehr das gleiche Gefühl auf, auch wenn du gerne an der Stelle wieder anknüpfen möchtest.

Danke

Für Felina und mich hat dieser Kurs vieles zum Positiven verändert. Unsere Beziehung ist auf eine gute Art ruhiger und von mehr Freude im Miteinander erfüllt. Natürlich gab es noch viele weitere wertvolle Punkte als diese beiden, die ich dir in diesem Beitrag vorgestellt habe.

An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an Nicole Künzel und Kerstin Schmidt für die wunderbare Organisation und Familie Armbrust, die ihren Hof für diese besondere Veranstaltung zur Verfügung gestellt haben! Zusammen haben sie einen Rahmen für die Veranstaltung geschaffen, in dem berührende Entwicklungen möglich waren! Wenn ihr auch mal bei so einem besonderen Event des Evipo-Verlages dabei sein wollt, findet ihr hier mehr Informationen.

Für die stimmungsvollen Fotos möchte ich mich ganz herzlich bei Marie-Christin Zurbrüggen von Tierfotografie Herzenshund bedanken! Schau gerne auf ihrer Website vorbei, um mehr ihrer wunderbaren Bilder zu sehen. Wenn du mehr zu mir als Ausbilderin erfahren möchtest, geht es hier zu meiner Seite.

Hinterlasse einen Kommentar